Die Bliestorfer Bauernvögte                                                            1640 - 1877


Eine noch erhaltene Quittung des Bauernvogten Haack, Bliestorf von 1812


Über die Stellung des Bauernvogts, ursprünglich Bauernmeister (niederdt. Buhrvagt/Burmester) gibt als erste Quelle der Sachsen­spiegel (Codierung des sächsisches Recht) des Eike von Reptow 1230 auskunft:

Der Bauernvogt ist Mittler zwischen Obrikgeit und Dorfgemeinschaft. Er durfte nicht „eigenmächtig für sich, namens ihrer,“ etwas unternehmen, sondern mußte stets die „Eingesessenen zur Beratschlagung versammeln“ – früher Buersprok – .

Zuständigkeiten
1. Vertretung der gutsherrlichen Gewalt auf unterster Ebene
2. Aufsicht über Hölzungen, Grenzen und Jagden
3. Aufsicht über Saat und Ernte
4. Anzeigen von Straftaten (z.B. Schlägereien, Hurerei, Unzucht und Einhaltung des  „Heiligen Sonntags“)
5. Übermittlung von gutsherrlichen Befehlen (meißt im eigenen Kruge oder auf dem Dorfplatz), später Aufgabe des Gutsförster
6. Einziehung der Kontribution (Steuer)
7. Bestellung der Hirten (Schweine-, Kuh- und Schafhirten)
8. Verjagung von Bettlern und losem Gesindel

Privilegien
1. erhielt eine Hufe mit Kruggerechtigkeit (keine Braugerechtigkeit !), meißt erblich
2. Recht  in  der Kirche begraben zu werden
3. Befreiung von Hand- und Spanndiensten sowie Kriegsfuhren

Ähnlich wie z.B. der Lütauer Bauervogt 1633 wird auch der bliestorfer Bauernvogt
bestallt woren sein:
„das er uns und unseren nachfolgenden Herzogen zu Sachsen treu und hold verbleiben und tags und nachts auf unser Erfordern mit einem tüchtigen reisigen Pferde und behörigem Gewehr untertänig aufwarten soll, unseren Nutzen befördern,  Schaden und Nachteil verhüten, auf unsere Grenzen und Holzungenein wachsames Auge
haben, den Umtausch von wüsten Ländereien nicht verstatten, alle straffälligen Sachen melden, und sich in allem als ein getreuer Bauermeister bezeigen soll“

Da das Bliestorfer Gut eine eigene Administration besaß, wurden einige der o.g. Zuständigkeiten, wie z.B. Einziehung der Steuern, später durch Gutsbedienstete erledigt. Der Bliestorfer Bauernvogt war nur Mittler zwischen Bauernschaft und Guts­herr und somit nur mittelbar der Landeshoheit unterstellt. An Privilegien besaß der Bliestorfer Bauernvogt nachweislich nur die Kruggerechtigkeit, allerdings war die Bauern­vogt­stelle bis zur Egaliesierung 1735, die größte Hofstelle im Dorf (vermutlich gleich­zusetzen mit der Flurbezeichnung “großer Hof”), heute Gemeinschaftshaus. Aus einer Abschrift für den Krummesser Pfarrer aus dem Jahre 1860 geht hervor das der Bauernvogt Krieger in Bliestorf 1849 für den “Brannteweinzwang” 22 M. 8 Sch.
bezahlt.

Die Taxation aus dem Jahre 1685 läßt keine Begünstigung bei den Abgaben erkennen. Diese Taxation wie auch eine Liste aus dem Jahre 1776 macht deutlich, das der Bliestorfer Bauernvogt auch keine Bevorzugung bei den Hand- und Spanndiensten genoß und den übrigen Hufnern gleichgestellt war.

Durch Blasen auf dem sogenannten Bauernhorn versammelte der Bauernvogt die Dorfge­mein­schaft, um ihnen die neusten Erlasse der Obrigkeit zu verkünden.

Wie in allen lauenburgischen Dörfern war auch in Bliestorf das Amt des Bauern­vogtes nachweislich erblich (s. Folge Bauernvögte, s. a. Höfefolge) bzw. fest mit der Hofstelle verbunden, die wie im Fall von Haak und Krieger käuflich erworben wurde. Diese Erblichkeit wurde 1768 im Amt Steinhorst aberkannt, hatte allerdings in Bliestorf
offensichtlich darüberhinaus Bestand. Erst ab 1805 scheinen die Bauernvögte gewählt worden zu sein.

Bis 1849 hat der Schmied Landau und Bauernvogt Krieger in Bliestorf für den Branntweinszwang jeder 22 Mark 8ß Cour. an die Gutsherrschaft bezahlt.

Bauernvögte chronologisch

?   bis ca.    1640    Schnouer, Hinrich
ca.1640    - 1675    Schnouer, Tite * ca. 1610, † nach 1685
     1675    - 1715    Schnauer, Anton * 1648, † 1729
     1715    - 1724    Schnauer, Thomas Hinrich, * 1691,  † 1724
                   1720    Klempau, Thomas Hinrich
     1724    - 1748    Koop, Albrecht, * ca. 1690
     1748    - 1784    Koop, Johann, * 1725, † 1793 (1784 Konkurs)
ca.1790    - 1803    Haack, Johann Christoph, * ca. 1745, † 1803
     1803    - 1807    Brüggemann, Jochim Christian   
     1807    - 1826    Haak, Johann Friedrich, *1779 (1826 Konkurs)
     1826    - 1835    Krieger, Johann *1778
     1835    - 1864    Krieger, Joh. Jürgen Friedrich *1803
     1864    - 1877    Benthien, Heinrich

Bauernvogt Brüggemann ein Fall der noch heute interessiert

23. Juni 2009: selbst die Juristische Fakultät der Universität Passau interessiert sich für die Bliestorfer Geschiche.

Sehr geehrter Herr Weinberger!

Im Rahmen meines [ Stefan Andreas Stodolkowitz ] Dissertationsprojekts über das Oberappellationsgericht Celle im 18. Jahrhundert stieß ich auf Ihre Netzseite zur Bliestorfer Geschichte. Das Celler Gericht war als höchstes Gericht für das Herzogtum Lauenburg in den Jahren 1807 und 1809 mit einem Rechtsstreit beschäftigt, dessen Inhalt nach den im Landesarchiv Schleswig erhaltenen Akten, die ich eingesehen habe, folgendermaßen zusammenzufassen ist:
Der Hufner Jochim Christian Brüggemann, der seit 1803 Interimswirt der Bauervogtstelle in Bliestorf war, wurde von dieser 1807 durch das adlige Gericht Bliestorf wegen Pachtrückstandes und schlechter Wirtschaft entsetzt. Am 7. September 1807 legten Brüggemann und seine Ehefrau Appellation gegen ein Urteil des Hofgerichts Ratzeburg ein. Was der Gegenstand dieses hofgerichtlichen Rechtsstreits war, ist aus den Celler Prozeßakten nicht ersichtlich, und die Akten des Hofgerichts sind nicht erhalten. Der Appellationseinführungsschrift ist nur zu entnehmen, dass die Rechtsmittelführer nach Erlaß des hofgerichtlichen Erkenntnisses und nach Einlegung der Appellation „aus dem Besitz der innegehabten Hofstelle geworfen und auf eine äußerst harte und, wie sie
glauben, völlig illegale Weise behandelt [wurden]." Dieses Verfahren verfolgte das Ehepaar Brüggemann nicht weiter; es verlief also im Sande.

Der Streit mit dem adligen Gericht Bliestorf setzte sich aber fort. Brüggemann bezog mit Frau und Kindern die Altenteilswohnung des Gehöfts. Von nun an tritt in den Gerichtsakten ohne erkennbaren Grund nur noch seine Frau in Erscheinung. Das adlige Gericht nahm ihr die Altenteilswohnung und wies ihr eine Wohnung außerhalb des Dorfes zu, die sie für viel zu klein hielt. Diese Wohnung habe insbesondere keinen Platz zum Korndreschen und für das Futter der Kuh, die einer Altenteilerin zustehe. Ihre dagegen gerichtete Klage wies das Hofgericht am 13. Dezember 1808 ab. Am 1. Februar 1809 wurde sie gegen ihren Willen in die kleinere Kate umquartiert. Ihr Antrag an das Hofgericht vom 2. Februar, das adlige Gericht solle das Verfahren bis zur Entscheidung des Rechtsstreits ruhen lassen und ihr bis dahin die bisherige Wohnung lassen, blieb erfolglos; am 3. Februar erließ das Hofgericht erneut einen abschlägigen Bescheid. Diesen griff sie mit der Appellation an. Ihre Begründung ist dürftig und geht über die wiedergegebene Sachverhaltsschilderung kaum hinaus. Das Oberappellationsgericht wies das Rechtsmittel am 24. April 1809 als unzulässig zurück.

Aus den Angaben Ihrer Netzseite und denen in den Celler Prozeßakten habe ich mir zusammengereimt, dass Brüggemanns Vorgänger als Bauervogt Johann Christoph Haack offenbar der erste Mann seiner Ehefrau war, nach dessen Tode er sich die Bauervogtstelle „erheiratete". Sein Nachfolger war sein Stiefsohn Johann Friedrich Haack (in den Akten in dieser Schreibweise), so dass die ansonsten bis dahin erbliche Bauervogtstelle nur über einen kurzzeitigen Umweg an Brüggemann fiel.

Ich wende mich nun an Sie, da Sie offenbar ein Kenner der Bliestorfer Lokalgeschichte sind. Mir fehlt bislang jede Erklärung, weshalb in den Akten ab 1808 nur noch Brüggemanns Frau auftritt. Dass Brüggemann gestorben ist, ist wohl nicht anzunehmen, denn im Rubrum des zweiten Appellationsverfahrens wird seine Frau nicht wie andernfalls üblich als Witwe, sondern als Ehefrau bezeichnet. Wäre die Ehe aber noch „intakt" gewesen, so wäre die Frau kaum allein vor Gericht aufgetreten, und wahrscheinlich wäre sie sonst auch nicht umquartiert worden. Dafür spricht auch, dass Sie sich ausdrücklich auf „die Kuh" beruft, die der „Altenteilerin" zusteht. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, ist, dass Brüggemann möglicherweise straffällig wurde und verurteilt wurde. Dies ist aber bloße Spekulation. So hoffe ich, von Ihnen weiterführende Gedanken zu diesem nicht nur rechtshistorisch interessanten Vorfall zu erhalten.

Antwort

Sehr geehrter Herr Stodolkowitz,

zu Ihrer Anfrage zum Bauernvogten Brüggemann in Bliestorf, kann ich nur wenig ergänzen. Leider hat sich kein Gutsarchiv erhalten, nur einige Fragmente, darunter die Registratur des Gutsarchives die folgendes zu dem Gesuchten wiedergibt:

Nº VIII Indicialia
45. Keg. Seer. Hantelmann ./. Witwe Haak verehelichte Brüggemann pto. rückständiger Fidaigebühren 1806


Nº IX Indicialia
60. Altenth. Joch. Detl. Burmester in Poggensee ./. Arbeitsmann Joch. Chrn. Brüggemann in Rondeshagen pto. Forderung und den Bauernvogt Haak in Bliestorf adcitaten 1815
86. Brüggemannsche Vormundschaft in Güster ./. denselben pto. Forderung 1821
91. Tagl. Brüggemann ./. sämmtliche Käthner in Bliestorf pto. Entschädigung für eine geleistete Kriegerfuhr 1822
96. Tagl. Brüggemann ./. Pächter Kohfahl pto. Forderung 1823
101. Tagel. Brüggemann zu Bliestorf .|. Dorfschaft Bliestorf wegen Entschädigung 1824

Nº XI Erbauseinandersetzungen, Vormundschtl. Sachen, Concurse, Höfe Administrationen Edictal, Ladungen.
20. Die Abmeierung und Convocation der Gläubiger des Brüggemann zu Bliestorf 1807

Da es sonst keinen Brüggemann in Bliestorf gibt, müsste der Tagelöhner mit dem Gesuchten Identisch sein.

Dann zu den Personen:

Haak, Joh. Xoph * ca. 1745, † 1803
vormals Schmied, vor 1790 Bauernvogt und Kirchenjurat
1790 Stelle in Erbpacht
1. oo ca. 1778 Bock, Wwe. Gültzau, Anna Elis. (sie. 1. oo 1773 Schmied Gültzau, H.), † 1786
2. oo 1787 Noor, Elis. Magd. Cath., von Schönberg * Eichede 1764, V.: Nohr, Joh. Heinr.
Kinder: 12 Kinder zwischen 1775 - 1803
darunter
Joh. Fried. Domin. * 1779 ff

Brüggemann, Jochim Xian * ca. 1760 aus Poggensee
Interimswirt 1803-1807
1806 hat 2 Wagen und 8 Pferde
oo 1804 Noor, Wwe. Haak, Cath. Elis.

Haak, Johann Fried. Dominikus *1779, † 1844
Hufner und Bauervogt 1807-1826, macht 1826 Konkurs
oo 1807 Sand, Marg. Dor. von Grinau
Kinder: 4 Kinder zwischen 1812 + 1821